Alles begann mit zwei kleinen Spülschwämmen, die in meinem Leben Geschichte schreiben sollten. Weil sie im Mülleimer landeten. Und weil damit der Umwelt großer Schaden zugefügt wurde. Und der Seele mancher Menschen offenbar noch viel mehr… Wer den ersten Teil verpasst hat, sollte ihn hier nachlesen.
Als wir am Abend von Yosemite nach Hause kommen wird Carmina freundlich von Michelle begrüßt, ich eher weniger freundlich. Wenige Minuten später kommt Michelle zu meinem Zimmer und fragt mich, ob ich Ihre Email gelesen habe. Ich bejahe. Sie erzählt mir, dass sie eigentlich dachte, dass wir uns am Wochenende alle erholen könnten und dass dann alles gut hätte werden können.
Stattdessen hätte ich mit meiner „angry and insulting note“ alles nur noch viel schlimmer gemacht und ihr das ganze Wochenende ruiniert. Sie fragt mich, ob ich mir dessen bewusst bin. Ich verneine und stelle die Gegenfrage, ob sie eigentlich wisse, dass sie mit ihrer Email auch mein komplettes Wochenende ruiniert habe.
Sie stutzt etwas, ringt kurz nach Worten, findet dann aber eine tolle Ausrede: Sie wäre nicht davon ausgegangen, dass ich die Email in Yosemite lese, weil man dort normalerweise keinen Handempfang habe. Ich beschließe jetzt einfach gar nichts mehr zu sagen. Sie sagt auch nichts mehr und meint dann nach einer Weile, es wäre besser das Ganze am nächsten Tag zu diskutieren, sie sei jetzt müde.
Als ich gerade aus der Arbeit komme und zur Straßenbahn laufe, schreibt mir Carmina, meine andere Mitbewohnerin eine längere Warnung per WhatsApp:
Okay Martin, schlechte Neuigkeiten: Mickey hat mich mal wieder festgequatscht, obwohl ich ihr fünf mal gesagt hab, dass ich mich da raushalten will und dass sie es mit dir besprechen soll. Jedenfalls will sie auf jeden Fall dass du ausziehst und zwar weiß sie auch schon die Alternative. Du sollst in dieses Hostel von Rebecca [Rebecca ist meine Vormieterin und die ehemalige Mitpraktikantin aus dem Goethe-Institut, die nicht länger mit Mickey zusammenleben wollte und deshalb ausgezogen ist und dann im Hostel wohnte]. […]
Und sie [Mickey] sagt zu dem Thema Vertrag, dass es wohl in jedem Vertrag eine ‚Goodwill‘ Klausel gibt und die hast du anscheinend mit deinem Benehmen gebrochen. Die ‚Goodwill‘ Klausel muss nicht in dem Vertrag stehen sondern ist wohl immer implizit bei jedem Vertrag mit dabei (jedenfalls gemäß ihrer Aussage).
Sie empfindet dich als bedrohlich und sagt wenn du dich über ein Thema wie diese Schwämme schon so aufregst, dann könntest du vielleicht bei größeren Problemen noch aggressiver werden und sie möglicherweise angreifen. […]
Sie meinte zu mir sie würde auf jeden Fall einen Anwalt einschalten. Und dass du dir ja in deiner kurzen Zeit hier keinen Anwalt engagieren wollen würdest... […]
Ach ja, sie meinte die einzige Sache wie sie es sich vorstellen kann, dass du bleiben kannst ist, wenn du wie ein komplett anderer Mensch hier nach Hause kommst und sie um Entschuldigung bittest und Einsicht zeigst und wie es dir alles leid tut und dass du dich angegriffen gefühlt hast und dass sie über alles Recht hat etc… Aber dass sie denkt dass du zu viel Stolz hast um das zu tun und somit sei das nicht wirklich eine Option! […]
Naja das war so ziemlich das Gespräch. […]
Dachte nur ich bereite dich darauf vor bevor du nach Hause kommst…
Auf dem Heimweg überlege ich, was ich machen soll und beschließe, dass Mickey Recht hat. Ich habe definitiv zu viel Stolz, um mich hier für irgendetwas zu entschuldigen oder sie wie die Mutter Gottes um Vergebung zu bitten. Ich beschließe, dass ich mich höchstens für den ironischen Ton entschuldigen werde, keinesfalls aber für einen inhaltlichen Punkt meiner Kritik, da ich diese durchaus als berechtigt ansehe. Wenn sie wirklich möchte, dass ich ausziehe, werde ich das auf jeden Fall ablehnen und ihre Argumentation mit der ‚Goodwill‘ Klausel erst einmal auf Standhaftigkeit prüfen bzw. prüfen lassen.
Als ich die Wohnung betrete fällt die Begrüßung noch frostiger aus als am Abend zuvor. Ich mache mir kurz was zu Essen und beschließe dann zu Michelle ins Wohnzimmer zu gehen, vorbereitet auf den großen Streit. Ich beginne das Gespräch und frage, ob sie die Diskussion von gestern Abend fortführen möchte, ich hätte den Eindruck, es gäbe ein paar Dinge zu klären.
Michelle beginnt mit einer ausschweifenden Antwort. Sie habe meine erste Antwort im Haushaltsbuch auf ihre Frage nach dem Verbleib der Schwämme wohl nicht gesehen und deshalb verstehe sie, dass ich sarkastisch geantwortet habe. Sie meint, dass es wohl nicht gut sei, über das Haushaltsbuch zu kommunizieren, sondern dass man besser direkt miteinander reden sollte.
Dann geht sie auf meine Kritikpunkte ein: Dass sie das saubere Geschirr mehrmals am Tag wegräume und dass, wenn das nicht genüge, man einfach „ein wenig mehr Geduld miteinander“ haben sollte. Dass die schmutzigen Milchtüten und Essensreste nicht in den Müll kommen, sondern in den Kompost und deswegen neben der Spüle liegen bleiben [bis wir sie wegräumen; sie sieht das offenbar nicht als ihre Aufgabe im Haushalt an]. Und dass sie nur regelmäßig in mein Zimmer ginge, um die Blumen [ein Kaktus] zu gießen und dabei gemerkt hätte, dass mein Fenster offen war und sie nicht wolle, dass wieder Mäuse ins Haus kämen, weil das war wohl letztes Jahr der Fall. Und die Beseitigung sei ein Riesenproblem gewesen, weil die Vermieter generell nicht kooperieren und sie so schlecht behandeln würden. Und ab hier folgt nochmal ein halbstündiger Monolog über die schrecklichen Vermieter, den ich aber schon fast wörtlich mitsprechen kann, weil sie mir die Geschichte schon zum dritten oder gar vierten Mal erzählt.
Dass ich ausziehen soll? Dass ich sie schlecht behandelt habe? Dass ich mich entschuldigen soll? Fehlanzeige! Irgendwie fühle ich mich wie im falschen Film.
Update: Die Fortsetzung gibt es hier.
erstellt am 09.05.2016
bearbeitet am 22.05.2016